Allgemeinverfügung des Landratsamtes Bayreuth

Allgemeinverfügung des Landratsamtes Bayreuth zur Untersagung der Wasserentnahmen aus oberirdischen Fließgewässern des Landkreises Bayreuth
Das Landratsamt Bayreuth erlässt aufgrund des $ 100 Abs. 1 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBi. I S. 2585), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Januar 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 5) i. V. m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen
Wassergesetzes (BayWG) vom 25. Februar 2010 (GVBl S. 66), zuletzt geändert durch 8 1 des Gesetzes vom 09. November 2021 (GVBl S. 608), folgende
Allgemeinverfügung:
I.
1. Der wasserrechtliche Gemeingebrauch gemäß $ 25 WHG sowie der wasserrechtliche Eigentümer- und Anliegergebrauch gemäß $ 26 WHG zur Entnahme von Wasser aus allen Oberflächengewässern der Il. und Ill. Ordnung wird in allen Gemeinden des Landkreises Bayreuth untersagt.
Das Entnahmeverbot gilt nicht für den Fall, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Wasserentnahme durch die zuständige Wasserbehörde erteilt wurde, für die Entnahme mit Handschöpfgefäßen mittels Eimer oder Gießkanne ohne jegliche Zuhilfenahme von Pumpen sowie die Entnahme zur unmittelbaren Gefahrenabwehr im Sinne des $ 8 Abs. 2 Satz 1 WHG und Entnahmen nach 8 8 Abs. 3 Satz 1 WHG.
2. Die sofortige Vollziehung der Ziffer I. Nr. 1 wird angeordnet.
3. Diese Allgemeinverfügung wird bis einschließlich 30.09.2025 befristet und steht unter dem Vorbehalt des Widerrufs.
4. Die Allgemeinverfügung gilt am Tag nach der Bekanntmachung im Amtsblatt des Landkreises Bayreuth als bekanntgegeben.
ll. Gründe
A.
Das Entnehmen von Wasser aus oberirdischen Gewässern (Flüssen, Gräben, Seen, Teichen) stellt gemäß $ 9 Abs. 1 Nr. 1 WHG eine Gewässerbenutzung dar, die gemäß 5 8 Abs. 1 WHG vorher grundsätzlich beim Landratsamt Bayreuth - Untere Wasserbehörde - zu beantragten ist. Ausnahmen von dieser generellen Erlaubnispflicht bestehen nur dann, wenn die Wasserentnahme noch unter den sogenannten Gemeingebrauch bzw. den Eigentümer- und Anliegergebrauch fällt.
Infolge der in den vergangenen Wochen deutlich zu geringen Niederschlagsmengen liegen die aktuellen Abflüsse vieler Gewässer im Landkreis Bayreuth deutlich unter dem mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ). Besonders betroffen sind kleinere Bäche und die Oberläufe von Fließgewässern, in denen mit weiter sinkenden Wasserständen bis hin zur vollständigen Austrocknung zu rechnen ist.
Eine ausreichende Wasserführung ist für die ökologische Funktionsfähigkeit von Bächen und Flüssen unerlässlich. Bereits jetzt zeigen sich durch die Kombination aus geringer Wasserführung, erhöhten Wassertemperaturen und sinkender Sauerstoffverfügbarkeit erhebliche Belastungen für die aquatischen Lebensgemeinschaften. Zusätzliche Wasserentnahmen verschärfen diese Stressfaktoren und können zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die Gewässerökologie führen.
Nach den Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG) sind Wasserentnahmen - selbst im Rahmen des Gemeingebrauchs oder Anliegergebrauchs - nur dann zulässig, wenn keine erheblichen Beeinträchtigungen des Gewässers, seiner Uferbereiche sowie der dort lebenden Tier- und Pflanzenarten zu erwarten sind.
Wegen der derzeit sehr niedrigen Wasserstände kann der vorgesehene Schutz nach Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes Hof nicht mehr gewährleistet werden. Daher ist es aus fachlicher und rechtlicher Sicht erforderlich, präventiv tätig zu werden und die Wasserentnahme aus oberirdischen Gewässern zeitlich befristet zu untersagen, um die Funktionsfähigkeit der betroffenen Ökosysteme zu sichern und dauerhafte Schäden zu vermeiden.
B.
Das Landratsamt Bayreuth ist aufgrund Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayWG i. V. mit Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayWG sowie Art. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) sachlich und örtlich zuständig zum Erlass dieser Allgemeinverfügung.
Wasserentnahmen aus oberirdischen Gewässern stellen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 WHG Gewässerbenutzungen dar, welche nach § 8 Abs. 1 WHG einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfen, sofern sie über die erlaubnisfreien Benutzungen hinausgehen. Für die Erteilung einer Erlaubnis dürfen gemäß § 12 WHG keine schädlichen Gewässerveränderungen gem. § 3 Nr. 7 und Nr. 10 WHG zu erwarten sein. Eine schädliche Gewässerveränderung ist gemäß § 3 Nr. 7 WHG bereits gegeben, wenn Veränderungen der Gewässereigenschaft, wie Wassermenge, Wasserbeschaffenheit und Gewässerökologie nicht den Vorschriften des Wasserrechts entsprechen. Zu diesen wasserrechtlichen Vorschriften gehören insbesondere die allgemeinen Bewirtschaftungsgrundsätze
des § 6 WHG sowie die Bewirtschaftungsziele der §§ 27 bis 31 WHG (Mindestwasserführung).
Die Untere Wasserbehörde hat nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i. V. m. Art. 18 Abs. 3 BayWG die Möglichkeit, nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens eine Regelung zur Verhinderung von Gewässerbeeinträchtigungen zu treffen und somit die sparsame Verwendung des Wassers sicherzustellen. Von dieser Möglichkeit des Handelns macht das Landratsamt Bayreuth als Untere Wasserbehörde aufgrund der niedrigen Wasserstände mit dieser Allgemeinverfügung Gebrauch,
Gemäß § 25 WHG in Verbindung mit Art.18 Abs.1 BayWG ist die gemeingebräuchliche Nutzung oberirdischer Gewässer durch jedermann grundsätzlich zulässig. Der Gemeingebrauch ist nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen, schadlosen Benutzung gestattet und umfasst Tätigkeiten wie Baden, Waschen, Tränken, Schwemmen, das Schöpfen mit Handgefäßen sowie das Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft. Nicht vom Gemeingebrauch umfasst und daher unzulässig sind hingegen Wasserentnahmen mittels technischer Vorrichtungen, insbesondere Pumpen. Das Schöpfen im Rahmen des Gemeingebrauchs ist nur dann zulässig, wenn dadurch keine Rechte Dritter verletzt und keine Befugnisse oder Eigentümerrechte anderer beeinträchtigt werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird derzeit davon abgesehen, auch die Entnahme mit Handschöpfgefäßen in dieser Allgemeinverfügung zu untersagen.
Der Eigentümer- und Anliegergebrauch ist an ein hinreichendes Wasserdargebot gebunden. Ist dieses nicht mehr gegeben und erfolgt dennoch eine weitere Nutzung des Gewässers, sodass eine nachteilige Beeinträchtigung des Gewässerzustands oder eine Gefährdung des Allgemeinwohls zu befürchten ist, eröffnet § 100 WHG in Verbindung mit § 26 WHG der Unteren Wasserrechtsbehörde eine Ermächtigungsgrundlage, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Eine solche Maßnahme stellt das in Ziffer I. 1 der Allgemeinverfügung geregelte Entnahmeverbot dar.
Die Anordnung zur sofortigen Vollziehung liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es ist nicht vertretbar, dass durch Einlegen von Rechtsmitteln bestehende Wasserentnahmen im Rahmen des Eigentümer- und Anliegergebrauchs fortgesetzt werden können und dadurch die Ordnung des Wasserhaushalts weiter verschlechtert wird.
Durch fortgesetzte Entnahmen von Wasser aus Oberflächengewässern wäre der zur Aufrechterhaltung der wasserbiologischen Vorgänge erforderliche Mindestwasserabfluss nicht mehr sichergestellt. Dies hätte nachteilige Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, Natur und Landschaft zur Folge. Gleichzeitig muss ausgeschlossen werden, dass durch die Verwendung des Wassers u.a. zum Zwecke der privaten Nutzung eine Gefahrenverlagerung auf das Schutzgut Boden und im Weiteren auf das Grundwasser erfolgt. Nach Abwägung der Interessen der Ausübung des Eigentümer- und Anliegergebrauchs gegenüber den Interessen der Allgemeinheit zum Schutz der Gemeingüter Wasser und Boden sowie der Schutzgüter Leben und Gesundheit, ist die Einschränkung des Anlieger- und Eigentümergebrauch auch verhältnismäßig.
Auf Grund der momentanen Gewässersituation ist nach dem derzeitigen Sach- und Kenntnisstand eine gemeinverträgliche Nutzung nicht möglich, so dass die Allgemeinverfügung zu erlassen und sofort zu vollziehen ist.
Die Einschränkungen des Gemeingebrauchs und des Eigentümer- und Anliegergebrauchs sind zeitlich und örtlich auf das zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche Maß begrenzt und daher verhältnismäßig und nach pflichtgemäßem Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig.
Soweit im Einzelfall eine unbillige Härte entstehen sollte, besteht die Möglichkeit, die Erlaubnis durch die Wasserbehörde überprüfen zu lassen. Die Vereinbarkeit mit den Forderungen der Gewässerbewirtschaftung ist Voraussetzung für die Gestattung einer Benutzung, u.a. ist eine Mindestwassermenge festzulegen, bis zu deren Erreichen eine Entnahme gestattet werden kann.
Nach § 41 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Eine Allgemeinverfügung darf nach § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG öffentlich bekannt gegeben werden, wenn die durch § 41 Abs. 1 VwVfG an sich vorgeschriebene Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich ist eine Bekanntgabe dann, wenn sie mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist oder aber überhaupt nicht möglich ist. Der Verwaltungsakt gilt nach § 41 Abs. 4 VwVfG zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichenderTag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden. Da hier schneller Handlungsbedarf besteht, wird die früheste Möglichkeit, einen Tag nach Bekanntmachung, gewählt.
Die Allgemeinverfügung behält ihre Gültigkeit bis zum 30. September 2025 oder bis sie widerrufen wird und steht somit zugleich unter dem Widerrufsvorbehalt. Dieser ist eine Nebenbestimmung gem. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Zugleich stellt die Befristung eine Nebenbestimmung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG dar.
Mit der Befristung soll sichergestellt werden, dass es während der gesamten Trockenperiode nicht zu weiteren Negativbeeinträchtigungen kommt. Da die Rechtfertigung bzw. Begründetheit dieser Allgemeinverfügung wetterabhängig ist, unterliegt sie einem unbestimmten in der
Zukunft liegenden Zeitpunkt. Um uneingeschränkt zu diesem unbestimmten Zeitpunkt seitens der Behörde handlungsfähig zu sein, steht die Untersagung zusätzlich unter Widerrufsvorbehalt, weicher vor Fristablauf gegebenenfalls angewendet werden kann.
Hinweise:
1. Gemäß Art. 41 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist nur der verfügende Teil einer Allgemeinverfügung öffentlich bekannt zu machen. Die Allgemeinverfügung und ihre Begründung können während der allgemeinen Dienstzeiten im Landratsamt Bayreuth, Fachbereich 43, Zimmer 232
sowie auf der Internetseite des Landkreises Bayreuth eingesehen werden (Art. 41 Abs. 4 Satz 2 BayVwVfG). Außerdem erfolgt eine Veröffentlichung im Amtsblatt des Landkreises Bayreuth.
2. Mit Geldbuße bis zu 50.000,00 € kann belegt werden, wer dieser vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt (vgl. Art. 74 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und d BayWG).
3. Das Landratsamt Bayreuth - Untere Wasserrechtsbehörde - kann auf schriftlichen Antrag eine widerrufliche Ausnahme erteilen, wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern oder das Verbot im Einzelfall zu einer billigen Härte führt.
4. Bei Vorliegen einer gültigen wasserrechtlichen Erlaubnis zur Wasserentnahme ist auf eine Mindestwasserführung im Gewässer zu achten und die Festsetzungen des jeweiligen Bescheides zu beachten.
5. Mit entsprechenden verstärkten Kontrollen durch das Wasserwirtschaftsamt Hof und dem Landratsamt Bayreuth ist zu rechnen.
Rechtsbeheifsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage erhoben werden bei dem
Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth
Postfachanschrift: Postfach 11 03 21, 95422 Bayreuth
Hausanschrift: Friedrichstr. 16, 95444 Bayreuth
schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch in einer für den Schriftformersatz zugelassenen Form.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen
und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben,
der angefochtene Bescheid soll in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen bei schriftlicher
Einreichung oder Einreichung zur Niederschrift Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:
- Die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail ist nicht zugelassen und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen.
Nähere Informationen zur elektronischen Einlegung von Rechtsbehelfen entnehmen Sie bitte der Internetpräsenz der
Bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.vgh.bayern.de).
- Kraft Bundesrechts wird in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten infolge der Klageerhebung eine Verfahrensgebühr
fällig.
- Ab 01.01.2022 muss der in $ 55d VwGO genannte Personenkreis Klagen grundsätzlich elektronisch einreichen.
Bayreuth, 04.07.2025
Florian Wiedemann
Landrat